Klima

Meeresspiegel steigen an, flache Küstenzonen und Inseln werden überschwemmt, fruchtbare Böden vertrocknen und versalzen. Ernteerträge setzen aus, der Zugang zu sauberem Wasser verschwindet. Menschen überall auf der Welt – sei dies in Spanien, den USA, Afghanistan, Bangladesch, Kolumbien oder Kenia[1] – büssen drastisch an Lebensgrundlagen ein, sodass sie früher oder später ihre Heimat verlassen müssen. Trotzdem ist die Klimakrise kein anerkannter Grund, die Flucht von Menschen zu legitimieren und denjenigen, die am stärksten betroffen sind, Schutz zu gewähren.

Was führte zu einer derart drastischen Veränderung unseres Klimas? Wer leidet am meisten darunter? Welche Rolle spielt die Schweiz in diesem Trauerspiel und was hat das mit unserem Wirtschaftssystem am Hut?

Die Anfänge der Klimaerwärmung

Seit der industriellen Revolution ist die globale DurchschnittstTemperatur um 1.1 Grad Celsius gestiegen. 2016 warwurde das wärmste Jahr seit Messungsbeginn das wärmste Jahr verzeichnet und noch immer ist ein rasanter Anstieg der Temperatur zu beobachten [2]– wir rasen auf eine Erwärmung zu, die knapp der Hälfte der Weltbevölkerung ein Leben in unvorstellbarer Armut, Hungersnot und Durst bescheren würde, die den Menschen ihren Boden und ihre Lebensgrundlage zerfrässe und zerstörte. Wieso also sind wir nicht alle in Aufruhr und Panik und versuchen mit allen Mitteln, diese selbstzerstörerische Politik zu ersticken?

Die Klimalogik des wachstumsorientierten Marktes

Viele unserer Transportsysteme und Industrien basieren auf der Verbrennung von fossilen Brennstoffen, welche CO2 und andere Treibhausgase (THG) freisetzen, die wiederum die Wärme der Sonne freisetzen und nicht in die Atmosphäre zurückgeben. Diese Märkte wachsen dort am stärksten, wo der Wohlstand am schnellsten und effizientesten akkumuliert werden kann – sprich dort, wo gewisse Leistungen nicht entlöhnt werden müssen. Der Kapitalismus hat kein Verständnis für Reproduktion und Regeneration. Er verzehrt mehr Ressourcen, als in derselben Zeit neu entstehen können.[3] Ressourcen, die nicht erneuerbar sind, sollten im Boden gelassen werden – wie etwa Kohle oder Öl. Flächen müssen unentgeltlich gerodet werden, die Arbeit der Natur kann ausgequetscht und bis auf die letzte Ressource verschlungen werden, ohne dass die hinterbleibenden Schäden entgolten werden müssen. Würde ein Preis für diese Ausnutzung erhoben, so bräche dieser Handel in sich zusammen. [4] Die wirtschaftliche Macht des globalen Nordens kann also dort als Druckmittel eingesetzt werden, wo Menschen auf Verträge angewiesen (oder die Eliten des Volkes auf die dabei herausspringenden herauslugenden Schmiergelder scharf) sind. Die Kluft zwischen Arm und Reich korreliert also mit der Verschmutzung und Zerstörung der Umwelt. Das reichste Fünftel der Weltbevölkerung verbraucht 80% der nicht erneuerbaren Ressourcen und ist für mehr als 80% der Verpestung der Luft verantwortlich[5].

Die Gier nach Wohlstand und stetigem «Mehr» der Industrieländer führt seit der Kolonialzeit dazu, dass mächtige westliche Staaten sich an den natürlichen Ressourcen, Boden und Menschen bedienen, die Nutzungsrechte von Landwirtschaftsflächen für sich beanspruchen und den natürlichen Kreislauf gegen Übernutzung und Auslaugung eintauschen – die Subsistenzwirtschaft wird den Menschen genommen. Die daraus resultierende Trockenheit wird durch die Klimakrise weiter verschärft. Die aus dem Raub hervorgehende Armut kann nicht für angepasste Landwirtschaftsmethoden und Lebensweisen aufkommen und stellt Menschen vor den Verlust ihrer Existenz[6]. Wo Menschen verdursten, werden für sie unnützliche Luxusgüter für den globalen Norden produziert und anstelle von Nahrungsmitteln wird Palmöl gewonnen. Die Wasser- und Nahrungsmittelknappheit lässt Preise in die Höhe schnellen und schafft eine grössere Abhängigkeit von den Märkten des globalen Nordens, der die einheimischen mit subventionierten Agrarprodukten schwemmt. So werden arme Länder dazu verpflichtet, Freihandelsverträge zu unterschreiben und Zollhemmnisse aufzuheben. Fabriken werden in Länder mit kaum ausgebautem Menschenrechts- und Umweltschutz verlagert.[7] Dies wiederum führt zu weiter ansteigenden Temperaturen und wachsenden Migrationsbewegungen, welche die Staaten des globalen Nordens diffamieren und an den Grenzen der Festung Europas gewaltsam zurückdrängen, obschon ein grosser Teil dieser Abwanderungen sich als Verlagerung von ländlichen in städtische und von gebirgigen in küstennahe Gebiete abzeichnet. Da urbane Regionen oftmals an Küsten gelegen sind, überlappen diese Fluchtwege, was zu dramatischer Überbevölkerung, Slumbildungen und wiederum unzureichendem Zugang zu Wasser und Nahrung und somit zur Ausbreitung von Krankheiten in Ballungszentren führt.[8]

Grünes Wachstum?

Wieso also stellen diese Staaten ihr Wirtschaften nicht auf klimaverträgliche Technologien um?

Es ist zwar vorstellbar, dass das Erschaffen einer neuen Technologie, die dem Umweltschutz dienen soll, pro Produktionseinheit durch Weiterentwicklung effizienter gestaltet werden kann, doch die Optimierung des Ressourcenverbrauchs wird an irgendeinem Punkt das Optimum erreichen und Produktionssteigerungen werden wiederum von einem proportionalen Anstieg von Umweltdegradation begleitet sein. Die Entwicklung neuer Industrien erfordert abermals Energie und Rohstoffe, wodurch diese Umweltbelastung nicht beseitigt, sondern nur verlagert würde. Der nicht schnell genug stattfindende gesellschaftliche und politische Wandel verunmöglicht, durch notwendige Umweltvorschriften rasch genug zu handeln, bevor die sogenannten «Tipping Points» oder «Points of no Return» erreicht werden. [9]

Bangladesch in der Krise

Bangladesch ist eines der Länder, das von der Klimakrise als erstes stark betroffen sein wird und es bereits ist. Das Land kann sich nicht wie die Niederlande hocheffiziente und technologisch fortgeschrittene Deichschutzsysteme leisten[10]. Aufgrund der tiefliegenden Küstenzonen Bangladeschs ist ein Anstieg der Meeresspiegel fatal für die dort ansässige Bevölkerung – sie raubt ihnen ihren Lebensraum[11]. Die Folgen reichen allerdings bis weit ins Landesinnere; das Wechselspiel von Dürrezeiten und extremen Regenfällen, sowie das Abschmelzen der Himalaya Gletscher lassen die grossen Flüsse über die Ufer treten. Die Klimakrise verdoppelt die Chance auf übermässige und verfrühte Monsoon-Regenüberschwemmungen[12]. 30% der Bevölkerung ist bereits heute unterernährt[13] und mehr als die Hälfte der Menschen arbeitet im Agrarsektor. Der Ausfall von Ernten, die Versalzung fruchtbarer Böden und Reisfelder, lässt die Menschen noch mehr verarmen und verhungern. Die Menschen wandern ins Landesinnere ab, die Zahl an wohnhaften Menschen in der Hauptstadt Dhaka ist innerhalb von 35 Jahren von 1.5 Millionen auf 15 Millionen gestiegen. Die Mehrheit der Geflüchteten lebt in menschenunwürdigen Zuständen in den Slums und auf den Gassen. Obwohl Bangladesch nur 0.1% der globalen Treibhausgase ausstösst[14], sind Millionen von Menschen der menschengemachten Krise bereits zum Opfer gefallen.

Die Rolle der Schweiz

Die Klimakrise muss endlich als Fluchtgrund anerkannt und in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert werden. Längerfristig muss jedoch nicht nur den Betroffenen Schutz gewährt, sondern die Klimakrise und deren Verursacher aktiv bekämpft werden. Selbst grosse Veränderungen der individuellen Lebensweise werden niemals ausreichen, um die Klimakatastrophe zu verhindern. Die Entscheidung über die Investitionen von einflussreichen Unternehmen sollte bei den Menschen liegen und nicht bei einzelnen profitgierigen Köpfen, Klimaauflagen müssen verpflichtend verankert werden und es muss ein Verständnis dafür geschaffen werden, dass Jahren zwischen 250 Millionen und einer Milliarde Menschen gezwungen sein werden, ihre Heimat zu verlassen, weil die Profitgier derjenigen, die sich am Leid anderer bereichern, keine Grenzen kennt.


[1] http://www.fluchtgrund.de/grund/klimawandel/

[2] https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/20170524-greenpeace-studie-climate-change-migration-displacement-engl.pdf

[3] Interview mit Adelheid Bisecker, Professorin für ökologische und feministische Ökonomie in Bremen (Das Magazin, 27. Juni 2020)

[4] Rotfunk mit Nico

[5] Ökosozialismus oder Barbarei

[6] http://www.fluchtgrund.de/grund/klimawandel/

[7] Medico und Carola Rackete

[8] https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/20170524-greenpeace-studie-climate-change-migration-displacement-engl.pdf

[9] Wachstum ist keine Lösung, sondern das Problem (Jahrbuch 2006 Denknetz)

[10] https://www.medico.de/an-der-flutkante-16501/

[11] Afrin, Afifa; Dhali, Helal Hossain (2015). Environmental Migration, Adaptation, and Gender Relations: A study in Dhaka. Environment, Migration and Adaptation. Dhaka. p. 166.

[12] "How dire climate displacement warnings are becoming a reality in Bangladesh". The New Humanitarian. 2019-03-05. Retrieved 2019-11-02.

[13] https://en.wikipedia.org/wiki/Climate_change_in_Bangladesh#cite_ref-9

[14] https://science.sciencemag.org/content/294/5547/1617.full?__cf_chl_jschl_tk__=481b417583c05024572f722b7acb0d51446e6d33-1595845816-0-Ad_rTMaJkj87Tj02P8Y_4QEoWa4l2izgZhQFSVbSY4xKszHSh6I6IeOmyXu6cC89n8I9tujLfGhSL3rp5ZXqqsQUiKggqB-IdTmvQf32cuduSUmfE_bHqXslaBH8GSVS6WcUfbrawusKWYuvRj8y0Lhflb6dUxA5BHnVRYWV5G9j8fhc6V9DO-QirPj5l9rrOxZm8TlYHpTVMlr4s-owFp9yVMr5KoDb2upJ1iLzQmX2oSQfXj7U6Wtf64BL4emnUpOVKeuTO8tDNqYjvVCclUwSmy5oDwRJiTQzjhYL6X0ZZIIYVCytwv1IuttDVW9BGA

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